Bei der Mediation handelt es sich um ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben. Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt (§ 1 Mediationsgesetz).

  1. Grundannahmen der Mediation. Die Mediation geht davon aus, dass
    1. Konflikte eher daraus resultieren, dass die Parteien nicht wissen, wie sie ein Problem lösen können, als das sie es nicht lösen wollen.
    2. die an einem Streit Beteiligten in der Regel „richtigere“, also beiderseits befriedigendere und meist auch sachlich stimmigere Lösungen zur Streitbeilegung entwickeln können, als es eine aufgezwungene Entscheidung durch eine Autorität von außen, etwa ein Richter, vermag.
    3. Konfliktbeteiligte sich an getroffene Entscheidungen eher halten, wenn sie selbst für das Ergebnis verantwortlich sind und das Verfahren bis zur Übereinkunft geführt haben.
    4. Menschen vollständigere und bessere Entscheidungen treffen, wenn sie die Gefühle, die ihnen zugrunde liegen oder die durch sie entstanden sind, bewusst wahrnehmen und in die Entscheidung integrieren, ohne dass die Gefühle die rationalen Belange überwältigen.
  2. Unterschiede der juristischen und der mediatorischen Methodik
    1. Orientierungsmaßstäbe
      1. In der juristischen Methodik steht im Vordergrund, die rechtlichen Ansprüche eines Mandanten durchzusetzen, erforderlichenfalls zwangsweise. Der Konflikt wird von seinen rechtlichen Aspekten her betrachtet. Zur Lösung werden überwiegend rechtliche Instrumente eingesetzt. Das rechtlich Entscheidungserhebliche wird herausgearbeitet. Andere für die Parteien oft ebenfalls wichtige konfliktbestimmende Faktoren spielen eine nachrangigere Rolle. Das Gericht prüft (nur), ob ein behaupteter Anspruch besteht, also die von der Klagepartei eingenommene Position rechtlich durchsetzbar ist oder nicht.
      2. Die Mediation setzt beim Menschen selbst, nicht bei der von ihm eingenommenen Rechtspositionen an. Sie zielt darauf, die „Selbstheilungskräfte“ der Parteien zur eigenen Konfliktlösung zu aktivieren und zu fördern. Im Mittelpunkt stehen die Beteiligten selbst mit ihren Wahrnehmungen, Gefühlen, Antrieben, Motiven, persönlichen und wirtschaftlichen Interessen, ihren Werthaltungen und ihren rationalen und rationalen Zielsetzungen.

      Bildhaft gesprochen ist die Mediation eine konservative Behandlung, das gerichtliche Verfahren gleicht einer Operation an dem/den Patienten/Rechtssuchenden.

    2. Methodische Instrumente
      1. In der juristischen Arbeitsweise sind materielle (inhaltliche) und prozessuale (verfahrensrechtliche) Fragestellungen und Vorgehensweisen in systematischen Prüfverfahren rechtlich durchnormiert.
      2. In der mediatorischen Arbeitsweise gibt es keine rechtliche Normierung, weder im Hinblick auf das Verfahren noch auf das Ergebnis. Auch in der Mediation werden zunächst die von den Parteien geltend gemachten Ansprüche ermittelt, die sogenannten Positionen als Ausgangspunkt des Konfliktes. Dann geht das Bemühen jedoch dahin, von diesen Positionen Abstand zu gewinnen und die dahinterliegenden Interessen und sonstigen konfliktbestimmenden Faktoren herauszuarbeiten. Davon ausgehend beginnt ein gemeinsamer Weg der Lösungssuche mit offenem Ausgang.
  3. Rollenverteilung und Aufgaben der beteiligten Akteure sind in der juristischen und in der mediatorischen Konfliktlösungsmethodik deutlich verschieden:
    1. Juristische Konfliktlösung
      Hier prüft der Anwalt als Experte für Rechtsfragen die Rechtslage und berät auf dieser Grundlage den Mandanten. Der Mandant entscheidet zwar über das weitere Vorgehen, nämlich ob die Auseinandersetzung fortgesetzt oder beendet wird. Die Empfehlungen des Anwaltes haben dabei erfahrungsgemäß hohes Gewicht. Entschließt sich der Mandant, die Auseinandersetzung zu führen und erteilt er dem Anwalt das Mandant zu seiner Vertretung, so bestimmt der Anwalt als Experte für die Konfliktaustragung die maßgeblichen weiteren Schritte, die natürlich mit dem Mandanten abgestimmt werden. Letztlich entscheidet aber in der Regel das Fachwissen und die Empfehlung des Anwaltes über das, was geschieht. Für die Mandanten ist es oft schwierig, die rechtlichen Darlegungen ganz zu verstehen, einzuschätzen und selbstgestaltend mitzuwirken. Die Mandanten sind abhängig von den beteiligten juristischen Experten, also den Anwälten und den Richtern. Die Rolle des Mandanten im juristischen Klärungsverfahren ist meist passiv, auch im Gerichtstermin, es sei denn der Richter sucht das direkte Gespräch mit den Parteien. Diese Gespräche sind meist auf Rechtsfragen konzentriert die in der juristischen Fachsprache geführt werden. Ziel ist den in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt aufzuklären, um über den Anspruch bzw. die Position des Klägers entscheiden zu können.
    2. Mediatorische Konfliktlösung
      In der Mediation stehen die Parteien im Mittelpunkt und tragen selbst die Verantwortung für die Lösung ihres Konfliktes. Maßgebend für die Verständigung sind die Kriterien, die für die Parteien selbst wesentlich sind. Rechtsfragen bestimmen zwar in vielen Mediationen zu Beginn die Argumentation, werden aber im Verlauf der Mediation eher nachrangig im Hinblick auf die Orientierung an den Interessen der Parteien.
      Die Anwälte stehen ihren Mandanten beratend und unterstützend zur Seite. Sie stärken ihnen den Rücken, sind Personen des Vertrauens, helfen abzuwägen, Risiken einzuschätzen, Rechtsfragen zu erörtern und Rechtsargumenten zu begegnen. Sie werden aber nicht selbstvertretend für ihren Mandanten tätig.
      Der Mediator hat keine auf seiner Stellung beruhende originäre Macht wie der Richter. Er hat zwar durch den Mediationsvertrag die Verfahrensverantwortung übertragen erhalten. Diese kann ihm aber jederzeit entzogen werden. Er muss für seine Tätigkeit bei den Beteiligten Vertrauen gewinnen und aufrechterhalten. Seine Aufgabe ist, in dauernder Abstimmung mit den Beteiligten durch das Verfahren zu führen und dabei die Besonderheiten des jeweiligen Konflikts, der teilnehmenden Personen und der Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Dies erfordert eine Zusammenarbeit mit allen Beteiligten auf der Ebene von Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit und Wertschätzung mit sehr geringer Rollendistanz.
  4. Befriedigung von Gerechtigkeitsbedürfnissen. Damit Verfahren und Ergebnisse bei den Betroffenen Akzeptanz finden, müssen sowohl die juristische sowie die mediatorische Konfliktlösungsmethodik Gerechtigkeitsbedürfnisse befriedigen, nämlich
    • Tauschgerechtigkeit, also für eine Leistung eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten.
    • Verteilungs- oder Ergebnisgerechtigkeit, also dass dem Gleichbehandlungsgebot, der individuelle Bedürftigkeit oder den Anrechten aufgrund von Status oder anderen Persönlichkeitsmerkmalen genügt wird.
    • Verfahrensgerechtigkeit, also dass der Entscheidungsprozess als gerecht erlebt wird.

    Wird der Entscheidungsprozess als gerecht erlebt, so führt dies in einem oft erstaunlichen Maß dazu, dass auch inhaltlich nachteilige Entscheidungen als gerecht empfunden werden und Akzeptanz finden. Das Verfahren wird als gerecht erlebt, wenn

    • die Betroffenen sich äußern können und gehört werden.
    • die Regeln in gleicher Weise für alle gelten.
    • die Entscheidungsträger unvoreingenommen und neutral handeln.
    • offene, vollständige und wahrhaftige Information eingeholt wird und allen Beteiligten in gleicher Weise zur Verfügung steht.
    • Entscheidungen korrigierbar sind.
    • persönliche Wertvorstellungen berücksichtigt werden.
    • den Bedürfnissen und Wünschen aller Beteiligten Geltung beigemessen wird.
    • alle Beteiligten in gleicher Weise mit Respekt, freundlich und wertschätzend behandelt werden.
  5. Von vielen Teilnehmern (= Medianten) werden als Vorteile der Mediation genannt:
    • Dass ihr subjektives Gerechtigkeitsbedürfnis besser erfüllt wurde, als es ein Zivilprozess vermocht hätte.
    • Dass bei der Tauschgerechtigkeit mehr auf die Vorstellungen der Beteiligten selbst von ausgewogener Leistung und Gegenleistung eingegangen wurde.
    • Dass sich die Einholung teurer Sachverständigengutachten erübrigte.
    • Dass bei der Ergebnisgerechtigkeit individuelle Bedürftigkeiten, Wünsche und Ansprüche aufgrund persönlicher Merkmale und Beziehungen besser als im Prozess in die Ergebnisfindung einbezogen wurde.
    • Dass bei der Verfahrensgerechtigkeit dem sehr hoch bewerteten Aspekt, sich selbst äußern zu können und gehört zu werden, in der Mediation in besonderem Maße entsprochen wurde.